Eine Masterarbeit erforscht die Inklusion von Gästen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung bei öffentlichen Events in Österreich. FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner, Leitung Masterlehrgang Eventmanagement der Fachhochschule St. Pölten, und Belinda Vollmann MSc, Absolventin des Masterlehrgangs Eventmanagement fassen im Artikel die Ergebnisse der Masterarbeit zusammen.
Das Themenfeld Nachhaltigkeit gehört zu den wesentlichen Rahmenbedingungen der Gesellschaft, daraus ergibt sich die Herausforderung der zeitgemäßen und verantwortungsvollen Gestaltung von Events. Zur Planung und Umsetzung einer nachhaltigen Veranstaltung gehört – neben den ökologischen und ökonomischen Säulen – auch die soziale Dimension. Die soziale Säule der Nachhaltigkeit bezieht sich auf das Zusammenleben, der Begriff Inklusion erklärt die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am Leben zum gesellschaftlichen Ziel.
Da sich Menschen mit Beeinträchtigungen aufgrund diverser Barrieren in ihrer Umwelt in der Freizeitgestaltung eingeschränkt fühlen, betrachtete Belinda Vollmann in der Masterarbeit, welche Veränderungen bei Veranstaltungen notwendig sind, um eine inklusive Besucher-Experience gewährleisten zu können.
Zusammenfassung der bisherigen Forschung
Die Mikrozensus-Zusatzfragen der Statistik Austria im Jahr 2015 zeigten, dass die am häufigsten auftretenden Probleme von Menschen mit dauerhaften Beeinträchtigungen freizeitbezogen sind. Als identifizierte Barrieren wurden Produkte und Technologien, Informationsübermittlung, die physische Umwelt sowie Transport- und Mobilitätsangebot, welche für Personen mit Behinderungen nicht zugänglich sind, genannt.
In der bisherigen internationalen Forschung wurden selektiv Veranstaltungsformate hinsichtlich der physischen Zugänglichkeit für Menschen mit Blindheit und Sehbeeinträchtigung bearbeitet, es konnten auch ersten Lösungsansätze identifiziert werden. Dazu gehört die Studie von Adrian Bossey aus dem Jahr 2020, welche den Blick von Expert*innen der englischen Live-Musikindustrie untersuchte. Die Ergebnisse der qualitativen Forschung offenbarten eine Zielgruppe, welche aufgrund der Barrieren nicht an Musikfestivals teilnimmt. Die befragten Personen drückten aus, dass Erkenntnisse über die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen bereits bei der Eventkonzeption berücksichtigt werden müssen. Die Forschung der MPI Foundation – über ein kombiniertes qualitatives und quantitatives Studiendesign mit Schwerpunkt USA in 2018 – ergab, dass Informations- und Wissenslücken seitens des das Event veranstaltenden Unternehmens zu Barrieren führen. Aber die Befragten drückten aus, dass Maßnahmen der Inklusion aufgrund der Nachfrage der Gäste sowie gesetzlicher Vorschriften integriert werden.
Die von Belinda Vollmann identifizierte Forschungslücke bezog sich auf die fehlende Behandlung des Themas im gesamtheitlichen Kontext in Verbindung mit Österreich bzw. auf Lücken der Betrachtung der Perspektiven der Eventorganisation und der Zielgruppe von Personen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung als potenzielle Besucher*innen.
Die Ergebnisse der empirischen Forschung
Basierend auf der umfassenden Darstellung der Ausgangssituation untersuchte Belinda Vollmann das Themenfeld vertiefend über eine empirische Studie. Methodisch gab es ein qualitatives Studiendesign mit einem Methoden-Mix: es wurden 13 Expert*innen mit relevanter Erfahrung befragt, zusätzlich gab es auch zwei Gruppendiskussionen mit Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung. Das Know-how bei den Experteninterviews war definiert rund um Inklusion mit dem Schwerpunkt für Personen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigungen, die Organisation von öffentlichen Veranstaltungen mit Berücksichtigung von Diversität bzw. Beratung in der Verbindung aus öffentlichen Events und Inklusion.
Die Ergebnisse der Forschung über Experteninterviews bestätigten zunächst das Potenzial beim Berücksichtigen der Inklusion bei Veranstaltungen. Die von den Expert*innen ausgedrückten Herausforderungen sind: Psychische Barrieren durch Wissenslücken seitens der Veranstalter*innen, Vielfalt von Beeinträchtigungen und weitere Umweltfaktoren wie die Einschränkungen bei Locations bzw. finanzielle Herausforderungen durch den Mehraufwand.
Die umfassende Forschung von Belinda Vollmann ergab nachfolgende Maßnahmen-Kategorien: Ein großer Bereich bezieht sich auf Bewusstseinsbildung durch Vermittlung von Basiswissen zu wesentlichen Fragen der Umsetzung, Handbücher & Leitfäden mit übersichtlichen Informationen für Veranstalter*innen und die Bitte zur aktiven Aufforderung um Hilfe durch die Gäst*innen mit Bedarf vor Ort. Es folgten gesetzliche Maßnahmen und Vorschriften, dazu kann die gesetzliche Verankerung der Braille-Schrift zählen.
Zu den Aktivitäten seitens der Veranstaltungsorganisation zählen zunächst die proaktive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Zielgruppe sowie die Identifikation von potenziellen Barrieren und die Evaluierung von bereits umgesetzten Maßnahmen, die Kommunikation in der Pre-Service-Phase zur Darstellung des eigenes Bemühens & das Auslösen eines Gefühl des Willkommenseins, digitale Barrierefreiheit mit den WCAG-Richtlinien als Grundlage, die Informationsbereitstellung nach dem Zwei-Sinne-Prinzip, die Schaffung eines taktilen Wegleit- und Orientierungssystems bzw. Veranstaltungsassistenz durch Begleitpersonen.
Zu den positive Auswirkungen für Veranstalter*innen zählen die breitere Zielgruppe für den Besuch von Events, die interne Motivation durch umfassendes Bewusstsein im Team und die Integration von zusätzliche Perspektiven in der Eventkonzeption. Die Realisierung von Maßnahmen kann auch zu positiven Marketingeffekten sowie zur Imagesteigerung führen, insbesondere in der Generation Z kann das essenziell sein.
Die Ergebnisse der Forschung über die Gruppendiskussionen mit Personen mit Blindheit und Sehbeeinträchtigungen bestätigten zum Großteil die gewonnen Erkenntnisse aus den Experteninterviews. Als Ergänzung wurden vor allem die Vorab-Kommunikation sowie das Angebot an Hilfestellung nach Bedarf als essenzielle Maßnahmen hervorgehoben. Diese werden als wichtiger Beitrag zur gleichberechtigten Teilnahmemöglichkeit und als wesentliche Faktoren für die Wahrnehmung von Inklusion gesehen.
Zusammenfassend zeigen die Erkenntnisse der Masterarbeit, dass der Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung im Sinne des Inklusion keine zufriedenstellende Bedeutung im Event-Zyklus beigemessen wird. Es wurden die Herausforderungen betrachtet bzw. Maßnahmen-Kategorien für soziale Nachhaltigkeit und die gleichberechtigte Teilnahme abgeleitet.
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Quelle: Messe & Event Magazin